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Mäusegift legt Meilen lahm

aus TA, 15.1.2015

Weil sie giftige Dämpfe eingeatmet haben, liegen neun Meilemer Feuerwehrmänner im Spital. Zehn Hausbewohner mussten evakuiert werden und die Seestrasse die ganze Nacht über gesperrt werden.

Weil sie giftige Dämpfe eingeatmet haben, liegen neun Meilemer Feuerwehrmänner im Spital. Zehn Hausbewohner mussten evakuiert werden und die Seestrasse die ganze Nacht über gesperrt werden.

Heulende Sirenen, blinkende Blaulichter, ein riesiger Lichtstrahler und die Einsatzwagen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei am Strassenrand: Für die Bewohner des Hauses an der General-Wille-Strasse 320 in Meilen bot sich in der Freitag Nacht ein Bild, als ob Ausserirdische gelandet wären.

„Ich habe Sirenen gehört, Gepolter im Treppenhaus und laute Stimmen. Die Polizei hat an meiner Haustüre geklingelt und mit gebeten mitzukommen. Zusammen mit den anderen Hausbewohnern bin ich dann mit der Feuerwehr auf den Feuerwehrposten Meilen gefahren“ erzählt Bewohnerin Jeannie Bennet mit zittriger Stimme. Noch steckt ihr die schlaflose Nacht in den Knochen.

Die Feuerwehr Meilen sperrte um Mitternacht die Seestrasse und evakuierte die Bewohner des Hauses, weil im Garten giftige Dämpfe aufstiegen. Ein Passant hatte um 22.37 Uhr gemeldet, dass es auf der Seestrasse vor dem Mehrfamilienhaus stark nach Gas rieche. Vor Ort ist den Feuerwehrmännern dann aber schnell klar geworden, dass es sich nicht um das Leck einer Gasleitung handelte, sondern um „vorerst unindentifizierbare Dämpfe“, wie Peter Bösch, Stabsoffizier und Mediensprecher der Stützpunktfeuerwehr Meilen, sagt. Deshalb bezog die Feuerwehr sofort die Chemiewehr in den Einsatz mit ein. Den unvorbereiteten Feuerwehrleuten wurde die giftige Wolke jedoch zum Verhängnis: Sie trugen beim ersten Kontakt keine Gasmasken. Neun von ihnen zeigten im Laufe der Nacht Vergiftungserscheinungen und mussten noch am Einsatzort medizinisch behandelt und später ins Spital Männedorf gebracht werden, wo sie für 72 Stunden unter Beobachtung stehen. „Nur zur Sicherheit. Alle neun befinden sich zurzeit in stabilem Zustand“, sagt Renate Risseeuw, Leiterin Kommunikation des Spitals Männedorf.

Erste Abklärungen der Feuerwehr ergaben, dass Granulat zur Mäusebekämpfung den Gasgeruch verursacht hat. Statt es in den Mauselöchern zu deponieren und die Tiere damit zu ersticken, war das Gift auf dem Boden ausgestreut worden. Das Mäusegift reagierte mit der Luftfeuchtigkeit und entwickelte die giftigen Dämpfe. Es handelt sich um das in gasförmigem Zustand hochtoxische Calciumphosphid, das bereits in geringen Mengen zu Vergiftungen führen kann. Die Feuerwehr entfernte den grössten Teil des Granulats und bedeckte den ganzen Garten mit Sand. „Weil wir unmöglich die ganzen Gifkörner aufsammeln konnten“, wie Peter Bösch erklärt.

Hausbewohner hat Gift gestreut
Monica Grubenmann, eine Bewohnerin des Hauses, nimmt den nächtlichen Ausflug ins Feuerwehrlokal gelassen. „Uns geht es allen gut. Es war eine Freinacht - so what?“, sagt sie. Die Bewohner haben die Nacht auf dem Feuerwehrsposten in Meilen verbracht. Um sechs Uhr morgens konnten sie schliesslich wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. „Die Feuerwehr hat sich sehr nett um uns gekümmert. Sie haben uns einen Platz zum Schlafen angeboten und uns mit Sandwichs versorgt“, sagt Bewohnerin Jeannie Bennet. 
Im Einsatz standen 45 Feuerwehrmänner inklusive Chemiewehrzug der der Feuerwehr Meilen. Zudem waren Rettungsdienst und Polizei vor Ort. Die Kantonspolizei Zürich kann zum Täter noch keine Aussage machen. Hausbewohnerin Bennet hingegen glaubt, der Täter oder die Täterin wohne ebenfalls im Haus. Die Person muss mit einer Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen.

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Die grünste aller Welten

aus Das Magazin, Winter 2008

Den Architekten von MVRDV sind dafür alle Mittel recht: fliegende Schweine, schmusende Hochhäuser und ein Gebäude wie ein Hamburger.

Den Architekten von MVRDV sind dafür alle Mittel recht: fliegende Schweine, schmusende Hochhäuser und ein Gebäude wie ein Hamburger.

Rotterdam empfängt von seiner schönsten Seite. Das Meer treibt fauchend Regen den Schiedamse Dijk hinauf und Wolkenballen ziehen wie flüchtende Gnuherden am Himmel vorüber. Sie sind schiefergrau, wie der rohe Beton in MVRDV’s Besprechungszimmer. Hoch wie ein Turmzimmer, in kaltes Nordlicht getüncht. Ein Morgen wie eine Sonnenfinsternis.
MVRDV sind Winy Maas, Nathalie de Vries und Jacob van Rijs. Holländische Staatsbürger, Architekten, kaum 40 Jahre alt. Die Brut von Rem Koolhaas, dem Pritzker Preis Gewinner und Übervater aller global agierenden Architekten; und von Mecanoo dem Städtebau-Forschungslabor. Ihr Office in Rotterdam ist gross wie ein Fussballfeld. 65 vorwiegend blutjunge Architekten arbeiten an 40 Projekten weltweit. Innerhalb von 15 Jahren ist aus MVRDV eines der am häufigsten publizierten Architekturbüros der Welt geworden.  Von „el croquis“ der spanischen Architekturzeitschrift, welche jeweils eine Ausgabe exklusiv einem Architekten widmet und insgeheime Bibel aller Baumeister, liegen bereits 2 Telefonbuch dicke Ausgaben vor. Der Holländische Kulturminister nannte sie am vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere – dem holländischen Pavillon für die Weltausstellung  2000 in Hannover – „Helden eines neuen Zeitalters“.

Visionen
Mit dieser im Gepäck, reiste Winy Maas im Herbst 2002 an die berühmte Yale School of Architecture, um eine Vorlesung zum Thema „Über das Entwerfen und Bauen einer Stadt des 21. Jahrhunderts“ zu halten. Um die Herausforderungen, welche sich dabei ergeben zu illustrieren, zeigte er einen 30 Sekunden langen Film, welcher über jedem Flughafen einer westlichen Grossstadt hätte aufgenommen werden können. Während sich die Kamera behutsam in die Höhe schraubt, beginnen sich düstere Industriebauten, gesichtslose Bürogebäude, Schnell-Strassen, Brücken und Asphaltflächen zunehmend ins Bild zu rücken, bis sich ein monotoner Häuserbrei ins unendliche erstreckt. Die Zuhörer sollten sich selbst ein Bild von der Stadt des 21. Jahrhunderts machen. Maas war nicht der erste Architekt, welcher gegen diesen zementfarbenen Fussabdruck protestierte, welchen die Menschen – wie die Schleimspur einer Schnecke – auf dem Erdball hinterlassen, aber er war vielleicht der Erste, welcher vorschlug den Rest unseres endlichen Platzangebotes zu erhalten, indem er vehement die Idee einer „vertical suburbia“ verfocht. „Wie würde ich leben wollen, wenn ich 3 Kinder hätte, mit all ihren Fahrrädern, all ihren Freunden, mit Fussball spielen, herum jagen, auf Bäume klettern – ohne dabei protektionistisch zu sein?“ fragt Winy Maas, einer der drei Gründungsmitglieder kritisch. „Und dies alles im Zentrum der Stadt. Es wäre die Antwort auf eine Vielzahl von sozialen und ökologischen Problemen!“

Visionäre
Als der Architekt, Städteplaner und Künstler Le Corbusier, der Schweizerisch-Französische Ausnahmekönner ab den 1920er Jahren seine Visionen einer sozialen Grossstadt präsentiert, nimmt er viele heute noch aktuelle Themen vorneweg: Zu Grosskomplexen gestapelte Wohneinheiten, Verdichtung der Baumasse, Standardisierung, halböffentliche Gemeinschafts- und Grünräume zwecks Förderung eines sozialen Bewusstseins. In späteren Jahren entwickelt er das Prinzip der „ville radieuse“ eine streng in ihre unterschiedlichen Funktionen tranchierte Stadt. Diese Ideen sind gescheitert. In Hast und Missinterpretation wurden nach dem zweiten Weltkrieg Schlafstädte aus dem Boden gestampft. Monofunktionale Wohnwüsten, welche die grössten sozialen Problemherde am Rande der heutigen Städte bilden. Zürich Schwamendingen ist nur eine verniedlichte Miniaturform davon. An diesen Skizzen der Moderne wird bis heute weitergedacht, wobei MVRDV zu den aktivsten und radikalsten Weiterdenkern gehört. Müssen sie auch; 2008 lebten zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr Bewohner in Städten und urbanen Konglomerationen denn auf dem Lande. Megacitys entstehen. Insbesondere die Ausbreitung der Vorstädte, der „urban sprawl“, ist den Raumplanern dabei ein Dorn im Auge. Identitäts- und eigenschaftslose Trabantenstädte sind die Folge. Die Sorge darüber, dass sich das Wachstum der Städte zu verselbstständigen droht, gipfelte 1996 in Rem Koolhaas Essay „Generic City“, der Stadt ohne Eigenschaften. Eine Stadt, die planlos alles überrollt was sich ihr in den Weg stellt. „Eine nimmersatte Krake, welche ihre Tentakel in alle Richtungen ausstreckt“, wie Isabelle Allende über Santiago de Chile zu berichten weiss. In seinem Text beschreibt Rem Koolhaas nämlich – in dessen Office for Metropolitan Architecture kurz OMA  Maas und Rijs gross geworden sind -, dass Stadtplanung obsolet und menschliches Handeln dem Lauf der Dinge unterstellt wird. Planung und Sicherheit weichen dem instinktiv-triebhaft-Unkontrollierbaren. Dieser blutrünstig-apokalyptischen Vision stellt MVRDV ihr eigenes Kredo gegenüber. „Es geht nicht darum die Stadt zu kontrollieren, aber darum sie besser verstehen zu lernen und neue städtische Muster zu identifizieren. Grenzen werden verschwinden.“ Sagt Maas.

Unorthodoxe Lösungen
„Wir versuchen auf verschiedenen Wegen zum Ziel zu gelangen, das ländlich-pittoreske mit dem Bestreben nach mehr Dichte zu verbinden“, fährt Maas fort. Das Parkrand Gebäude in Amsterdam, ein riesiger Wohnkomplex in der Peripherie Amsterdams, ersetzt den absorbierten Grünraum durch einen kollektiven Garten. Beim Torre Huerta in Valencia wiederum, hängen wir an jede einzelne Einheit einen auskragenden, beinahe fliegenden Garten.“ Im Projekt „didden village“, wird auf das Dach einer stillgelegten Fabrik ein Einfamilienhaus mit Satteldach, umgeben von einer königsblauen Gartenlandschaft aufgesetzt. „Es ist die Intention, die Stadt grüner und für die Gesellschaft lebenswerter zu machen.“ Erklärt Jacob van Rijs, der zweite Mitbegründer. Das Fehlen von Grünraum und privaten Aussenräumen ist eines der Hauptgründe, warum die Leute die Stadt verlassen. „Die holländische Gesellschaft ist im Herzen essentiell anti-urban. Das Leben in der Stadt, muss deshalb den Menschen nicht bloss schmackhaft gemacht, sondern darüber hinaus dem Leben auf dem Lande vorgezogen werden. Darum diese Suche nach dem künstlichen Vorgarten.“ Folgert Rijs.
Neu dabei ist ihre Arbeitsmethodik: Die klassische, sich durchdringende Entwurfskette, wo künstlerische Intuition und der Habitus des Architekten hochgehalten wird, weicht einem Research Prinzip. Informationen werden gesammelt und mit Hilfe von eigens entwickelten Computerprogrammen auf unterschiedlichste Parameter untersucht. Himmelsausrichtung, Sonnenscheindauer, Anzahl Zimmer, Anzahl Quadratmeter, Blickachsen und etwa Verbindungen werden auf ihre Kombinationsmöglichkeiten überprüft. Dabei interessiert nicht die Erfüllung einer Anzahl von Zwängen. „Vielmehr wird das System, beim schärfen und übertreiben der Zwänge zu seinen Extremen gezwungen“, erklärt de Vries. Unorthodoxe Lösungen tauchen auf; wie „Pig City“: Im Wissen darum, dass die holländische Viehwirtschaft – Holland hat 17 Millionen Schweine, soviele wie Einwohner – eine riesige Summe unverbauter Freiflächen konsumiert, schlägt MVRDV 80 Meter hohe, Energie autarke Hochhäuser mit integrierten Schlachthäusern vor, um die Landschaft von den ausufernden Viehwirtschaftsbetrieben zu entlasten. Die Energie wird durch ein Verfahren gewonnen, welches sich der Exkremente der Schweine bedient, und die Nahrung der Schweine wird in einer hauseigenen Fischzucht sicher gestellt. „Pig City“ zeichnet das Bild von übereinander geschichteten, grasbewachsenen, beinahe schwebenden Wiesen, auf welchen sich glückliche Schweine im Morast suhlen. Der holländischen Nordseeküste entlang aufgereiht, stehen sie Spalier für ein Umdenken in der europäischen Viehwirtschafts-Politik. Eine Architekturzeitschrift hat den Vergleich, zwischen einem Turm von Pig City und dem für Valencia konzipierten Wohnhochhaus „torre huerta“ gemacht und ist zum Schluss gekommen, dass beide Gebäude ungefähr gleich aussehen. „Durch Zufall“, sagt Winy Maas, „aber ich finde es eine sehr schöne Anekdote weil es zeigt, dass wir Tiere und unser landwirtschaftliches Umfeld genauso behutsam und feinfühlig wie Menschen und Städte behandeln sollten.“ Und Nathalie de Vries, das weibliche Besatzungsmitglied im Cockpit von MVRDV ergänzt lakonisch: „Entweder wir finden zufriedenstellende Lösungen für diese Tiere. Oder wir hören auf sie zu essen.“
Fliegende Schweine, geknickte schmusende Hochhäuser, blaue Dachgärten im verdichteten Stadtzentrum. Aufeinander gestapelte Landschaften, Grundrisse, in welcher die Horizontale durch die Vertikale aufgelöst wird. Spielende Kinder, welche sich anstatt hinter Bäumen, hinter Windrädern verstecken, welche nachhaltige Energie produzieren. Noch heute, bald 100 Jahre nach Fritz Langs Film über Metropolis, einer megalomanen Hochhausstadt, welche von kleinen Flugzeugen durchstochen wird, braucht es viel Überzeugungskraft, die Vision einer Welt zu verfechten, welche den Kopfstand probt.
Wer sind diese holländischen Senkrechtstarter? Und in der sogenannt realen Welt, würden all die grossartigen und für unmöglich gehaltenen Visionen Wirklichkeit werden?

MVRDV
Winny Maas, der Nachdenklichste, auf seine Art Melancholischste. Wasser-blaue Augen, die blond-grauen Haare ungezähmt, spricht er in Sätzen, die seinen Gedanken permanent hinter her hinken. Sie überschneiden sich, werden zuweilen unverständlich, verbleiben bruchstückhaft, bis sie sich mit dem letzten Wort wieder zusammen setzen. Er bildet das theoretische Fundament von MVRDV. Wenn Aaron Betsky, Direktor des niederländischen Architektur Instituts in Rotterdam die Arbeit von MVRDV mit dem Film Matrix vergleicht, wo die vermeintliche Wirklichkeit blosses Abbild von unendlichen Zahlensträngen ist, dann wäre Winy Maas wohl Leo, der Auserwählte; in dessen Händen Information zu Form wird.
Nathalie de Vries, eine zurückhaltende Frau mit sanftem Blick. Sie strahlt, sie lacht, sie ist selbst erstaunt über die Dinge, wie sie sind. Lakonisch, pragmatisch, eine aufmerksame Gastgeberin, entschuldigt sie ihre gute Laune mit dem Verzehr alkoholhaltiger Biscuits. Wenn ihr etwas am Herzen liegt, beginnt dieses merklich zu schlagen. Mit Nachdruck werden dann Gedankenstränge von Maas entzwirrnt, welche wie der hinaus gewürgte Haarballen einer Katze auf dem Besprechungstisch liegen bleiben.
Jacob Van Rijs, kein Kind von Traurigkeit. Schnatterhaft, während er eine halbe Kanne Kaffee über der massiven Eichenplatte verschüttet. Der Unbekümmertste, der Eleganteste, der Frivolste, der perfekte Schwiegersohn. Seine pech-scharzen Haare nach hinten gekämmt, in einem eng geschnittenen Anzug, lacht er vergnügt wenn er erzählt, dass er nicht gerne Zug fährt. Und trotzdem: Ihr gemeinsame Zusammenarbeit als MVRDV beginnt 1991 mit einer Reise nach Berlin, nachdem sie den prestige-reichen Wettbewerb für Architekten unter 40 Jahren mit dem Wohnbauprojekt „berlin voids“ gewannen. Dieses Projekt bleibt als Vorahnung ihrer imaginativen Sprengkraft in den Köpfen der Beteiligten haften, auch wenn es nicht zur Umsetzung kommt. Erst 2 Jahre später, 1993 gelangen sie an einen Bauherrn, welcher dem Trio seine Gefolgschaft anerbietet und 1997 in die Villa VPRO einzieht. Es zeigt sich für MVRDV zum ersten Mal, dass der Ehrgeiz, den Kontext in all seiner Vielschichtigkeit und all seinen Nuancen zu analysieren Früchte trägt. Es folgen weitere Grossprojekte wie WoZoCo’s, ein Wohnkomplex für ältere Menschen, Silodam, ein Wohngebäude in Amsterdam, die Casa doble, ein im Innenraum gefaltetes Doppelwohnhaus in Utrecht. Schliesslich der Holländische Pavillon für die Weltausstellung 2000 in Hannover, ihr internationaler Durchbruch. Zum Wohnkomplex Silodam, welcher sich am Kopfende eines ehemaligen Piers im Grossraum Amsterdam erhebt und welcher eine holländischen Zeitung als „Hipper Ozeandampfer, klar zum Auslaufen“, betitelte wird Nathalie de Vries einst sagen: „Die Forderung nach grösserer Vielfalt und ungewöhnlicheren Wohnungsformen nimmt überhand. Das ideale Haus hat ausgedient; es gibt tausend ideale Häuser.“
Aus ungefähr ebenso vielen Nationen scheint sich das MVRDV Nationalteam zusammenzusetzen: Holländer, Deutsche, Österreicher, Franzosen, Japaner, zuweilen auch Schweizer, welche an riesigen blauen Schaumstoff Modellen herummodellieren, die Köpfe verbrüdert über Skizzen und Plänen zusammenstecken oder hastig vor der Eingangstüre eine Zigarette rauchen. Draussen an der Dunantstraat 10, einer ehemaligen Druckerei, wo an schönen Tagen das klare Nordlicht durch hohe Rundbogenfenster in die offene Halle strömt. Es riecht nach Fisch und Druckerschwärze, und Seemöwen zerzausen unzufrieden die neblige Luft. Nur ein kleines Schild – MVRDV – schwarz auf weissem Grund, an der unscheinbaren Eingangstüre, in einem winzigen, von der Strasse aus eingezogenen Hof, verrät das bunte Treiben im Innern der alten Backsteinhalle, - wie die Möwen die Nähe zum Meer.
Das Meer als Tor zur Welt. "Es gibt keine Angst vor Fortschritt, vor Neuem in Holland. Unsere Herkunft, hat unser Denken in hohem Masse beeinflusst. Diese positive Sicht auf die Welt", erklärt Jacob van Rijs.

Projekte
Seit 2008 gewann MVRDV 5 internationale Architektur-Wettbewerbe. Einer der Spektakulärsten ist das Stadtentwicklungsprojekt „Tirana Rocks“, welches an eine balzende Kegelrobben Kolonie erinnert. Auskragende, gedrehte, übereinander liegende, sich aneinander schmiegende und schmusende Hochhäuser, welche eine Vielzahl unterschiedlichster Raum- und Programmtypologien suggerieren. Ein unkontrollierbarer öffentlicher Raum entsteht. „Es ist aufregend an einem Moment teilzuhaben, wo sich für ein Land die Möglichkeit bietet, sich neu zu erfinden“, erzählt Winy Maas dazu enthusiastisch. Visionen, Assoziationen und Metaphern sind in MVRDV’s Architektur zunächst wichtiger, als deren technische Ausführung. Gleichzeitig ist „Tirana Rocks“ jedoch Architektur, welche aus dem Verständnis für eine räumliche Verdichtung im Zeitalter der Globalisierung gewachsen ist. Die Dichte der Grossstadt und ihre verwirrende innere Widersprüchlichkeit in ästhetischer, sozialer und kultureller Hinsicht machen nach dieser Interpretation deren Reiz und Qualität aus. Viele Bauten und Entwürfe sind von diesem Verständnis geprägt. MVRDV geht es dabei um die Funktion des Bauwerks als sozialen Katalysator, also um die bewusste und oft auch provokative Beeinflussung sozialen Verhaltens durch Architektur. Wie auch bei der Villa VPRO, welche als MVRDV’s Manifest gilt, auch wenn sie dies nicht so deklarieren wollen. „Wir können uns nicht auf ein Projekt festlegen. Alle waren und sind uns wichtig.“ Sagt Maas.

Villa VPRO
Die Fernseh- und Audio Produktionsfirma VPRO suchte als Ersatz für ihren alten Arbeitsplatz, welcher aus einer Gruppe von 13 Villen bestand, eine zeitgenössische Antwort in Form eines Neubaus. Das Programm, von einem Immobilienberater ausgearbeitet, wurde als erstes in Frage gestellt und schlussendlich über Bord geworfen. Eine klassische Bürohaus Komposition kam nach Betrachtung von MVRDV nicht in Frage. „Die Angestellten von VPRO sind alles individualistische Einzelkämpfer-Typen, kreativ, aber egoistisch. Wir entdeckten, dass sie ihr volles Potenzial nur ausschöpfen können, wenn wir ihnen genügend Fläche für Konfrontation, aber auch genügend Fläche für Zurückgezogenheit bieten.“ Erzählt Winy Maas. Ausserdem spielten über die Jahre hinweg die alten Villen eine vitale Rolle, bei der Entwicklung VPRO’s Identität. Die Frage wurde aufgeworfen, ob die informelle Art, in welcher die alten Häuser genutzt wurden, immer noch Platz in einem modernen Bürogebäude – entworfen für maximale Effizienz – haben würde. Würde die Informalität fähig sein den Massstabssprung zu überleben und einen Ansatzpunkt bieten, die alten Villen in den Entwurf einfliessen zu lassen? Die räumliche Struktur einer klassischen Villa sowie die kontextuellen Einflüsse führten zum „tiefsten Bürogebäude von ganz Holland“. Ein offen-fliessender, sich über die Stockwerke hinaus durchdringender Grundriss mit serpentinenartigen Innenhöfen, welche den Einfall von natürlichem Licht mit dem Ausblick auf die Landschaft verbinden und wo die Grenze zwischen innen und aussen beinahe verschwimmt. Die saftig grüne Wiese, welche dem Gebäudekörper weichen musste, wurde durch ein bedecktes Grasdach ersetzt, unter welchem sich eine „geologische Gesteinstransformation“, wie dies in der spanischen Architekturzeitschrift el croquis beschrieben wurde, in Form der verschiedenen Stockswerke abzeichnet. Diese sind durch unterschiedlichste Mittel wie Rampen, gestufte Böden, monumentale Treppen oder kleine, steile Aufgänge unter einander verbunden und führen zum begehbaren Dach. Die unterschiedlichen Höhen im kontinuierlichen Innenraum und die durch Lichthöfe ausgebildeten Gebäudeflügel ermöglichen vielfältige Arbeitsumgebungen in unterschiedlichen Bürotypologien, um dem unstillbaren Hunger nach ständig wechselnden Raumsituationen, welche die Arbeit von VPRO voraussetzt, gerecht zu werden. Wohnzimmer, Attika, Halle, Innenhof und Terrasse, alle diese klassischen Raumtypologien sind neu interpretiert worden, diesmal im Zeichen der Transparenz, ohne kleinen Fenster, sondern mit stockwerkshohen Glasscheiben, welche praktisch jedem Büro Zutritt zu einem privaten Aussenraum gewähren. Mit den überschlanken Stützen, – welche wie ausgehungerte Mannequins im Foyer stehen - erinnert der Bau an Le Corbusier’s Villa Savoy, welche solitär, als weisser Tempel auf einem grünen Hügel steht. Bei MVRDV wird weiss zu Beton und die Box gehorcht keinem goldenen Schnitt. Sie bleibt ungezähmt und roh und streckt der Umgebung nicht mehr als ihren entblössten Hintern, ihren nackten Körper, ihr ungeschminktes Gesicht entgegen. Ein Gesicht, wie nach einem Autounfall. Die innere Raumassemblage wird gegen aussen zur Leinwand. „Das traditionelle Konzept der Fassade scheint nicht mehr zu existieren. Die Gebäude stellen eine Art von generischem Schnitt aus. Ein Schnitt wie wenn man durchs Gebäude schneiden würde um hineinzuschauen.“ Schreibt Stan Allen, Architektur Assistenzprofessor an der Columbia Universität. Die Fassade wird zum exhibitionistischen Abbild der Innenwelt.

Theorie
An der Weltausstellung 2000 in Hannover radikalisiert sich das Manifest zur Umsetzung. Der holländische Pavillon – „the dutch big mac“ - wird zum kühnen Versuch, Hollands immergrüne Landschaften wie die Innereien eines Hamburgers aufeinander zu türmen. Eine auf den Fussabdruck von 32 mal 32 Metern komprimierte Welt, mit übereinander geschichteten synthetischen Traumlandschaften. Der Pavillon war eine Provokation, Architektur wurde Experiment, der Versuch, den Computer mit Daten zu füttern und ihn die Gestaltung übernehmen zu lassen. Der Wunsch, das Chaos der zeitgenössischen Stadt in reine Information zu übersetzen – eine Datenlandschaft, wie es MVRDV ausdrückt – und dann daraus die räumlichen Konsequenzen, durch Computer generierte Darstellung auszudrücken.
Über diese Herangehensweise hinaus, Architektur nicht als einen herkömmlichen Ausdruck von Körper, Struktur und Form zu betrachten, sondern als eine quasi wissenschaftliche Forschung über die sozialen und wirtschaftlichen Kräfte, welche die gebaute Umwelt beeinflussen, dient diese Datenlandschaft auch als Grundlage ihres unstillbaren Schaffens und gebauten Werks. MVRDV’s Oeuvre, ist die fortlaufende Suche und Sehnsucht diesen abstrakten Ketten aus Einsen und Nullen ein Gesicht abzuringen, um das Konzept Wirklichkeit werden zu lassen, in welchem sich abstrakte Information in greifbare Form verwandelt, um Le Corbusier’s Definition von Architektur als „dem grossartigen Spiel der unter dem Licht versammelten Baukörper“ um eine Dimension zu erweitern.

Die grünste aller Welten
Für das Wiederaufbau Projekt in New Orleans 2 Jahre nach dem Hurrican Katharina, schlugen MVRDV traditionelle Südstaaten Häuser, zweigeschossige Einfamilienhäuser mit vorgesetzter Veranda vor. Alle jedoch mit Hochwasserschutzmassnahmen, wie zum Beispiel nach oben geknickten Vorder- und Rückseiten und sehen aus, als wären sie unbewohnbar oder bereits beschädigt. Viele Kritiker waren entsetzt und vermuteten hinter der Eingabe eine politische Aussage und augenzwinkernde Ironie auf Kosten der anhaltenden Misere der Bewohner.
Andere wiederum sahen in diesem Vorschlag MVRDV`s bestes und konsequentestes Werk, bei welchem sich ihre formale Erfindungs- und Schaffungskraft am direktesten auf die sozialen und örtlichen Zustände und Probleme bezieht und diese in einem formalen Übersetzungsprozess schonungslos abbildet. Jene Direktheit, welche sich bei VPRO’s in den endlosen Räumen als Bedürfnis nach sozialer Verbindung, bei WoZoCos’s hängenden Boxen im Erhalt unberührter Grünflächen und bei der verdichteten Container Siedlung Silodam, welche einen intelligenten Weg findet arm und reich zu vermischen manifestiert und MVRDV zu ihrem anhaltenden Erfolg verhilft.
Den Namen MVRDV vergisst man nicht. Er beschreibt eine greifbare Utopie und liest sich, wie der Zutrittscode zu deren grenzenlosen Welt.

 

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Das Lied der Sardelle

aus Happen, Winter 2012

Anchovis sind Sardellen, aber keine Sardinen. Als silbrig schimmernde Wolken schiessen sie in Schwärmen durch sämtliche Ozeane gemässigter und tropischer Breitengrade, bevor ihr spindelförmiger Körper gesalzen, in Öl eingelegt, auf dem Grill oder als Fischmehl im Tank einer Lachsfarm landet. Der Testesser hatte in diesem Sinne eine Begegnung der aussergewöhnlichen Art.

Anchovis sind Sardellen, aber keine Sardinen. Als silbrig schimmernde Wolken schiessen sie in Schwärmen durch sämtliche Ozeane gemässigter und tropischer Breitengrade, bevor ihr spindelförmiger Körper gesalzen, in Öl eingelegt, auf dem Grill oder als Fischmehl im Tank einer Lachsfarm landet. Der Testesser hatte in diesem Sinne eine Begegnung der aussergewöhnlichen Art.

Meine Anchovis nämlich kratzten im Munde aber nicht an meinem Gewissen. Dieser Zwangskonsum lächelte aus einer zu hundert Prozent wiederverwerteten Aluminium Büchse, in kaltgepresstem extra virgine Olivenöl eingelegt und mit zahlreichen Labels bekränzt, wie zum Beispiel dem Label "Bio Hellas". Wonach sie riechen: Nach Fisch, zu hundert Prozent, wie wenn der Geruch nach Fisch nicht mannigfaltig, sondern einförmig wäre. Nach Fischmarkt und Fischsuppe zusammen. So als ob dieser kleine, transluszente Reisende nicht viel grösser als ein Wassertropfen, die gesamten Gerüche des Meeres in sich trüge, wie eine stark parfümierte Dame fortgeschrittenen Alters, die sich im Bus zwinkernd auf den freien Stuhl nebenan setzt.
Wonach sie schmecken: Nach Fisch in seiner reinsten Form und noch tagelang unter sämtlichen Fingernägeln, als ob sich hier die teils kräftige Bezahnung der Fischchen bis tief unter die Haut gebissen hätte. Kein bisschen salzig und nicht zu vergleichen mit ihren kümmerlich gekrümmten Artgenossen, die auf der Pizza landen. Das Fleisch ist zart, wenn auch faserig. Die Haut zuweilen knackig-trocken und ständig vom Abblättern bedroht. Die Gräte, so fein wie Eiskristall, kitzelt höchstens auf der Zunge und im Gaumen. Das Köpfchen mit Knopfaugen lässt sich problemlos in einem Bissen und Gewissen mit knusprigem Brot und einer leichten Mayonnaise Vinaigrette verschlingen.So verschwanden ganze Leiber in meinem Bauch.
Sardellen sind immer noch keine Sardinen. Wem dies die Suppe nicht versalzt, kann Mund und Magen auf eine kulinarische Reise vorbereiten, die fernab touristischer Pfade einer Pizza Napoli führt und irgendwo weit draussen im tiefblauen Ozean eines Hamsi Kizartma endet. Bon appétit!

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Dubler's Welt I

ZS, 13.4.2007

Au Chien qui fume. Der Weg zum Nichtraucher ist kein Palmblatt gesäumter, aber ein pflastersteiniger.

Au Chien qui fume. Der Weg zum Nichtraucher ist kein Palmblatt gesäumter, aber ein pflastersteiniger.

Meine Raucherkarriere begann Hand in Hand mit der klassischen Einstiegsdroge Mary Jane. Aus dem Ausflug ins Land des grossen Gekichers habe ich Freundin Parisienne mit nach Hause gebracht. Auf der ersten Interrail Reise bastelten wir Aschenbecher aus abgesägten Tetra-Packungen und klebten sie an die Bettkante, um auch liegend bzw. beim Einschlafen noch rauchen zu können, ohne dabei den Kopf heben zu müssen. Konsequenterweise war es auch das Erste, was wir taten, wenn wir morgens aufwachten. Kollege Thurgi brachte es in jenem Sommer an einem Tag in Berlin auf 73 Stängel und hält damit den bis heute ungebrochenen Rekord.
10 am Tag waren zuletzt mein Schnitt. An einem Tag mit Bar-Besuch kam ich auf 20. An einem Tag mit Bar-Besuch gefolgt von einem Bar-Besuch kam ich auf 30. Bei Bar-Besuch, Bar-Besuch, Bar-Besuch, Ausgang auf 40. An Tagen mit einem gebrochenen Herzen, gefolgt von einem Bar-Besuch, Bar-Besuch, Bar-Besuch, Bar-Besuch, halbe Flasche Whiskey zu Hause (mit abgesägter Tetra Packung am Bett) auf 50 bis 60. Zu mehr hat es nie gereicht.
Vor meinem Vater habe ich nur einmal eine Zigarette geraucht - aus Wut und Protest: Siehst du, zu solch schlimmen Taten ist dein gross-bürgerliches Geblüt fähig. Ansonsten behielt ich in der offiziellen Rhetorik meiner familiären Regierung (konstitutionelle Monarchie) den Nicht-Raucher Status. Darum hat Rauchen bis zuletzt die Faszination von etwas Verbotenem behalten.
Der blaue Dunst: In meinen atlantikblauen Augen Inbegriff von Schöngeistigkeit, Jeunesse dorée und dem Duft der grossen weiten Welt. Damit ist jetzt, trotz aller Versuchungen und cinéastischer Tagträume, leider Schluss. Nicht aus gesundheitlicher Vernunft, nicht aus Angst vor gelben Zähnen, nicht aus Verantwortungsbewusstsein den Nichtrauchern gegenüber, sondern weil ich nicht dazu stehen konnte.
Ich bin ein weisser Ritter. Soviel Konsequenz muss sein.

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90 Sekunden

aus Happen, Frühling 2013

Ich bin ein Kind der 80er Jahre. Ein Kind aus einem mittelständischen Vorort. Aufs Essen bezogen heisst das: Fülscher Kochbuch und Betty Bossi, lauwarmer Milchreis zum Znacht, halbe Eier im Rahmspinat, Butter anstatt Olivenöl, Bohnen in roter Sauce und Ravioli aus der Dose.

Ich bin ein Kind der 80er Jahre. Ein Kind aus einem mittelständischen Vorort. Aufs Essen bezogen heisst das: Fülscher Kochbuch und Betty Bossi, lauwarmer Milchreis zum Znacht, halbe Eier im Rahmspinat, Butter anstatt Olivenöl, Bohnen in roter Sauce und Ravioli aus der Dose. Und als Höhepunkt einer „schwierigen Kindheit“: Fertig-Menüs aus der Mikrowelle.

Freud sähe sich bestätigt, dass der Zwangskonsument grossen Gefallen, an dem in 90 Sekunden zubereiteten Gericht fand. Was auf den Teller kommt, ist schliesslich Barilla in Reinkultur. Bissfeste Pasta, Gelb-Gold wie sommerlicher Weizen, gebrochen vom leuchtenden Rot eines an süss Tönen reichen Sugos. Die Verpackung verspricht mit dem Bild einer perfekten Basilikum-Rose frische Kräuter, kann diese Ansage aber nicht einhalten. Wie sollte sie auch? Das Gericht mit dem klingenden Namen „Penne Pomodoro e Basilico“ wird in einer Plastikschale Verkauft, die in einer Barilla-blauen Karton Hülle steckt. Von „die Folie bis zur gestrichelten Linie öffnen“ bis „die Sauce zur Paste geben und untermischen“ erklärt die Rückseite der Verpackung Schritt für Schritt, wie diese Mahl zubereitet wird. Ist dies die Freiheit, die uns Demokratie und Wohlstand versprach? Nein! Pasta ist und bleibt eine Herzensangelegenheit und deren unausgesprochene Regeln in Stein gemeisselt: Keine Spaghettis im Restaurant bestellen, kein Sugo ohne Zeit und Wein, Gnocchis dem Fachmann überlassen.
Was bleibt, ist die Freude über einen Teller Penne, der in wenigen Minuten zubereitet durchaus zu überzeugen mag, aber keine Träumereien von Liebe, Rotwein und Vespa fahren assoziiert. Wieso sollte man sich also für eine solche Schweinerei im Laden entscheiden? Weil manchmal keine Zeit für stundenlanges eindicken bleibt? Weil der Kühlschrank leer, die Milch grau und das Brot von vor-ich-weiss-nicht-Gestern Fäden zieht? Oder weil es, wie es dem ausgehungerten Zwangskonsument wiederfuhr, das perfekte Kater-Frühstück bietet?
Gründe gibt es augenscheinlich viele, auf das Vergnügen eines selbst zubereiteten Gerichts zu verzichten und anstelle dessen auf den „vollkommenen Genuss eines frisch zubereiteten Pastagerichts“ – wie sich die Packung in hohen Tönen selbst lobt – zurückzugreifen. So fällt diese Art der Ernährung wohl eher in das Reich derjenigen, die dem Kochen an sich keinen grossen Stellenwert beimessen aber dennoch auf eine warme, ausgewogene Mahlzeit nicht verzichten wollen. Fakt ist: kein Abwasch, keine dreckigen Pfannen, keine Magenverstimmung. Oder man war betrunken.

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Händler an der Goldküste verkauft Eisbärenfell für 28'000 Franken

aus TA, 18.3.2011

Ein neuer Laden an der Seestrasse in Meilen begeistert die Sammler von Luxusgütern – und empört den WWF. Das Geschäft zieht demnächst ins Seefeld weiter.

Ein neuer Laden an der Seestrasse in Meilen begeistert die Sammler von Luxusgütern – und empört den WWF. Das Geschäft zieht demnächst ins Seefeld weiter.

Meilen – Ein Elchkopf mit majestätischem Geweih hängt an der Wand und starrt mit gläsernen Augen durchs Schaufenster. Vor ihm liegt, alle viere von sich gestreckt, ein Löwe am Boden und schaut grimmig an die Decke – Vorleger nennt sich dieses Tierpräparat. Am Laden ID9, wie das Inneneinrichtungsgeschäft an der Seestrasse 824 in Meilen heisst, fährt niemand vorbei, ohne einen Blick hineinzuwerfen.
Marco Rampinelli, der Geschäftsführer und Ladenbesitzer, hat darum – im Gegensatz zum erstarrten Elch – gut lachen: Das Geschäft mit ausgestopften Tierköpfen, Fellen und Geweihen blüht. In seinem Ladenlokal im Gebäude der Jachtwerft Portier verkauft er neben Tierpräparaten von heimischen Tieren wie Eichhörnchen, Steinböcken, Füchsen und Adlern auch Exotischeres. 
Ein Eisbärenfell mit Kopf und Tatze kostet 28 000 Franken, zwei Elfenbein-Stosszähne, die Rampinelli dem Naturhistorischen Museum Bern abgekauft hat, 30 000 Franken. Im Lager stapelnsich ausserdem drei Löwenfelle, und ein Zebrakopf schlummert in der Dunkelheit. Daneben gibt es im Geschäft neben zahlreichen Inneneinrichtungs-Gegenständen wie Kronleuchtern, Kerzenständern aus Geweih, Hockern und Decken auch Accessoires wie Kissen, Pulswärmer oder Taschen aus Fell zu kaufen. Chalet Chic nennt Rampinelli diesen Stil. 
Ein Chalet im Stile eines Grosswildjäger einzurichten, kann sich nicht jedermann leisten. Für viele der Käufer seiner exklusiven Ware ist der Preis ein sekundäres Kriterium. Ein Kunde habe einmal an einem Nachmittag für 150 000 Franken sein Haus neu eingerichtet, und vor kurzem habe eine Porschefahrerin nach dem Fell eines jungen Löwen gefragt – «egal, was es kostet». Andere Kunden wiederum seien sehr qualitätsbewusst und aus Liebhaberei an den Unikaten interessiert. Beinahe jedes Stück der Kollektion sei eine Einzelanfertigung, sagt Rampinelli.

Der WWF protestiert
Keine Freude an den skalpierten Tieren hat der WWF Schweiz. «Er hat mir eine bitterbösen Brief geschrieben – definitiv unter der Gürtellinie», sagt Rampinelli Darin forderte Doris Calegari, Verantwortliche für Artenschutz vom WWF Schweiz, den Ladenbesitzer auf, dass er die Herkunft seiner Felle deklariere. «Ich bin doch nicht blöd und verkaufe Felle, die nicht zertifiziert sind», Kontert Rampinelli. «Das wäre ja das Gleiche wie wenn ich hier Drogen lagern würde.» Das Bundesamt für Veterinärwesen habe die Bewilligungen ausgestellt und bei der Einfuhr kontrolliert. Überprüfungen im Laden selber fanden indes keine statt.
Trotzdem hat Calegari in ihrem Brief ethische Bedenken angemeldet: Es sei falsch, Felle von Tieren zu verkaufen, die vom Aussterben bedroht seien. Rampinelli aber sagt, er lebe ohne schlechtes Gewissen.

Nur im Winter geöffnet
Ein Laden wie jeder andere ist sein Geschäft ohnehin nicht: Weil die Waren mehrheitlich während der kalten Jahreszeit gekauft werden, öffnet er jeweils nur im Winter die Türen – und er tut das in jeder Saison woanders. Dieses Jahr zum ersten Mal am rechten Seeufer. Der Laden bleibt bis End März in Meilen, dann zieht das Geschäft ins Seefeld weiter.
ID9 lebt von Rampinellis Schwäche für Interieur Design und ist zugleich eine Hommage an Südafrika, wohin er mit seiner Familie einst auswandern wollte. Nach der Geburt der Tochter hat er sich aber fürs Bleiben entschieden. Das passende Auto für Afrika war da schon angeschafft: ein Land Rover Defender, schwarz wie ein Pantherfell.

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Dubler's Welt II

ZS, 21.4.2006

Auf zu neuen Ufern! Meine Zeit als Studierender ist eine merkwürdige, schwierige, orientierungslose, chaotische, zuweilen hochgradig verwirrende und darum auch sehr prägende. Ich glaube, ich bin derweil erwachsen geworden.

Auf zu neuen Ufern! Meine Zeit als Studierender ist eine merkwürdige, schwierige, orientierungslose, chaotische, zuweilen hochgradig verwirrende und darum auch sehr prägende. Ich glaube, ich bin derweil erwachsen geworden.

Lange habe ich mich gefragt, was denn nun so aussergewöhnlich am Studieren sein soll, abgesehen von den vielen neuen Freiheiten, mit welchen ich nicht umgehen konnte. Einen Teil der Magie glaube ich mittlerweile entzaubert zu haben - die Tatsache, dass man die ganze Tiefe und Tragweite wohl erst nach Beendigung begreifen kann. Zuerst aber scheiterte ich am Schritt in die Unabhängigkeit. Ich beklage mich beispielsweise bis heute, dass mir nie jemand erklärt hat, dass man sich Wissen nicht aus Vorlesungen, sondern aus Büchern angeeignet (welche man sich selbst in der Bibliothek beschaffen muss). Träume, Bilder und Hoffnungen lösen sich zunehmends auf. Studiere ich wirklich das Richtige?
Eine gewisse Zeit vergeht. Wenig verändert sich. Keine Studentenrevolten, keine spontanen Sexorgien an WG-Partys, keine frischen Socken im Regal. Dafür schwänzelnde Burberrys-Halstücher im Zentralhof, Einheitsbrei, Menschen, welche Ängste und Nöte haben. Mein Leben als Studierender ist nicht jenes, welches mir in Filmen, in Erzählungen oder in der Schule vorgegaukelt wurde. Es ist auch nicht so, wie ich es mir persönlich gewünscht oder vorgestellt hätte. Vielmehr passierte es einfach.
Lange Zeit habe ich am faden Sud der Vorlesungen gelabt, ohne nach dem Salzstreuer oder dem Sambal-Ölek-Töpfchen zu greifen. Bis ich eines Tages bereit war, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Zeiten ändern sich, das ist das Erste was man begreifen und auch akzeptieren muss. Für alles andere braucht es nicht viel mehr als Mut und Neugierde, ein wenig Biss und ein Quäntchen Glück.
Das Studium ist eine wunderbare Zeit! Voller Tragödien, Unklarheiten, Ungereimtheiten, Träume, Bilder und Hoffnungen. Diese Zeit ist für mich heute in einer Woche abgelaufen. Auf zu neuen Ufern!

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Keine Ode, aber ein Gedicht

aus Happen, Herbst 2013

Oh du Lakritze! Schon dein Name kratzt mir im Hals und erschüttert meinen Gaumen. Du schwarz wie die Nacht, klebrig wie Karamel, riechst nach Kohle-Flötz und schmeckst wie dampfender Waldboden.

Oh du Lakritze! Schon dein Name kratzt mir im Hals und erschüttert meinen Gaumen. Du schwarz wie die Nacht, klebrig wie Karamel, riechst nach Kohle-Flötz und schmeckst wie dampfender Waldboden.

Welche Kräuter verleihen dir diesen einzigartig intensiven Geschmack, diesen bitteren Nachgang, dieses Bouquet wie der Duft von tausend Stachelblumen? Du bist nicht schön anzusehen! Deine Haut ist glänzend und ledern wie diejenige eines Reptils, mit feinen Furchen wie die Rinde einer jungen Korkeiche.
Wer hat dich eingekocht, eingemacht, vermengt, zu einer Melasse gemörsert, um dich Nudel-gleich zu kleinen Revolver Trommeln aufzurollen und zu neuem Leben zu erwecken?

Wer mag dich essen, verschlingen, kauen, an dir riechen? Lakritze, du bist wie Ingwer, Dill, Anis, Kreuz-Kümmel und die Blätter vom Orangenbaum in einem. Lakritze, du schwarzer Schwan, du hässliches Entlein, du Rohöl-Teppich auf dem Meer, ich kann dich nicht leiden, ausser.
Ausser der Erinnerung an frühe Tage. Mit ihr, Trine. Sie kam aus Dänemark. Sie kannte die Dunkelheit, aber liebte die Sonne. Sie war jung und strahlend schön, heute ist sie älter, eleganter und wir haben keinen Kontakt mehr. Sie hatte mir Lakritze gebracht und ich ass sie. Ich war berauscht, taumelnd-trunken, errötet ob dieser Geschmacks-Explosion. Ihre Augen waren stahlblau, ihre Haare brot-blond, sie sprach ein Kauderwelsch und schliesslich Schweizerdeutsch mit dänischem Akzent. Wo lebt sie heute?
Nicht dort, wo ich herkomme. Da nennen wir dich Bärendreck. Da wo ich herkomme lernen wir, dass das Volk immer recht hat. Keine Spezialisten, kein Rat der sieben Waisen, kein Landesvater sondern die verwurstete Meinung aller mündigen Personen. Nun habe ich dich gekränkt.

Lakritze du Schmetterlingsblütler, du Hülsenfrüchtler, trägst Glykosid in dir. Bist 50-mal süsser als Rohrzucker und doch machst du mich grimmig, lässt mein Lachen zu einer Fratze erstarren. Jeden Tag nasche ich nun von dir. Du liegst neben mir, während ich arbeite. Du rührst dich nicht, zeigst keine Emotionen. Wie soll ich dich zähmen, wenn du doch nicht einmal ein Fell hast? Wie sollen wir uns vertraut werden, wenn du nicht mit mir sprichst, wenn du mich ignorierst, wenn du faul auf deinem runden Bauch liegst und leise schnarchst?
Habe ich dich tatsächlich schon fast ganz aufgegessen? Du verlierst einen Ring nach dem andern. Schrumpfst täglich um einige Bissen. Tiefe Wunden von spitzen Zähnen zieren deinen Körper. Du windest dich vor Schmerz, versteckst dich hinter Stiften, Ordnern, Büchern, einem Locher, verkriechst dich unter Blätter, Couverts einem Briefmarkenbogen und was sonst noch auf dem Schreibtisch herumliegt. Ich esse dich nicht, ich nage an dir. Meine Schaufeln schaben an deiner Derma, stossen sich in dein weiches Fleisch und du speist tintenfischgleich Galle aus, bis ich vor Ekel von dir lasse.

Jeden Tag schiebe ich mir ein kleines Stück deines Körpers in den Mund. Bis zum letzten Bissen. Heut vermiss ich dich.

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Kein Zutritt für Jugendliche auf dem Männedörfler Friedhof

aus TA, 9.3.2011

Vier Wochen nachdem in Männedorf Gräber beschädigt wurden, wird das Friedhofsareal für Minderjährige geschlossen. Auch wenn nicht klar ist, ob die Schändung das Werk Halbwüchsiger war.

Vier Wochen nachdem in Männedorf Gräber beschädigt wurden, wird das Friedhofsareal für Minderjährige geschlossen. Auch wenn nicht klar ist, ob die Schändung das Werk Halbwüchsiger war.

Männedorf – Der Zutritt zum Männedörfler Friedhof ist ab dem 1. März für Jugendliche verboten, wenn sie nicht in Begleitung von Erwachsenen sind. Dies hat der Gemeinderat von Männedorf beschlossen. Er reagiert damit auf die wiederholten Klagen von Friedhofsbesuchern. «Es ist uns nicht leicht gefallen, das Verbot zu verhängen», sagt Gemeindepräsidentin Heidi Kempin (FDP), die bisher vor allem auf den Dialog gesetzt hat. Wenn aber eine Abdankung durch johlende Jugendliche gestört und Gräber beschädigt würden, höre das Verständnis für die Jugendlichen auf. «In einem solchen Fall müssen wir ein klares Zeichen setzen», sagt Kempin.

«Das ist bitter für die meisten»
Der Entscheid fiel Ende Januar an einem runden Tisch, zu dem auch der Oberstufen-Schulleiter Matthias Würgler eingeladen worden war. Er steht hinter dem Verbot – jedoch schweren Herzens: «Ich finde es bitter, dass dadurch alle Jugendlichen in einen Topf geworfen werden.» Von ein paar schwarzen Schafen einmal abgesehen, habe er es vor allem mit interessierten und aufgeweckten Schülern zu tun, sagt Würgler. Erst kürzlich hat er mit einer Gruppe von Schülern ein Projekt bearbeitet, bei dem es darum ging, das Verhalten der Schüler auf dem Friedhof zu untersuchen und klare Richtlinien zu entwickeln. Die Jugendlichen seien sehr selbstkritisch und hätten verstanden, dass der Friedhof kein Ort für Schneeballschlachten sei, sagt Würgler. Das Verbot kommt darum für ihn zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Fussspuren von Erwachsenen?
Trotzdem verteidigt er den Gemeinderatsbeschluss: «Wir wollen damit klar machen, dass gewisse Grenzen nicht überschritten werden dürfen.»
Das Fass zum Überlaufen brachte ein Vorfall Mitte Januar, als Vandalen ein Grabkreuz eingedrückt sowie Grabschmuck und Kerzen zerstört hatten. Auch wenn es in diesem Fall alles andere als erwiesen ist, dass Jugendliche verantwortlich für die Schändung sind. «Die grossen Fussspuren weisen meiner Meinung nach eher auf Erwachsene hin», gibt Würgler zu bedenken.
Der Friedhofsvorsteher von Männedorf, Rolf Baumann, wird demnächst ein laminiertes Dokument an die Eingänge hängen, das auf das Verbot aufmerksam macht. Dieses sei zeitlich befristet, aber mit Sicherheit bis zu den Sommerferien gültig. Baumann nimmt an, dass die Polizei die Umgebung des Friedhofs künftig häufiger kontrollieren wird. «Die Schüler müssen begreifen, dass ihr Handeln nicht ungestraft bleibt», sagt er. Die Friedhofsruhe und die Würde dieses Ortes müsse um jeden Preis geschützt werden. Derselben Meinung ist auch Gemeindepräsidentin Heidi Kempin. 
Die Jugendlichen halten sich nicht zuletzt auf dem Friedhof auf, weil sie ihn als Schulweg benutzen. In Zukunft müssen sie einen Umweg machen.



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Dubler's Welt III

ZS, 8.2.2008

Sturm im Kopf. Wem ergeht es nicht auch so - zumindest von Zeit zu Zeit: Man erwacht und hat einen schweren Kopf.

Sturm im Kopf. Wem ergeht es nicht auch so - zumindest von Zeit zu Zeit: Man erwacht und hat einen schweren Kopf.

Nicht den hämmernden, müden, verwirrten, unkontrollierten, desorientierten eines Katers, welcher keinen klaren Gedanken zulässt und permanent drückt wie ein zu enger Helm, sondern einen, welcher sich so unbeschreiblich anfühlt wie die Melasse aus Mutlosigkeit, Ziellosigkeit, Desillusion und Nüchternheit. Ein Kopf, welcher sich nicht durch zusätzlichen Schlaf, Kamillentee oder eine Handvoll Aspirin bekämpfen lässt. Ein von der Nacht angespuckter.
Mit einem solchen zerebralen Tiefdruckgebiet umzugehen ist schwierig. Meist ist die Scham zu gross, um das Unwetter offen anzusprechen. Mir persönlich ist es unangenehm, mich in diesen matten Phasen anderen Menschen zu offenbaren und sie mit vermeintlichen Bagatellen zu langweilen. Und diejenige, die es nicht stören würde sind dann immer nicht da, nur telefonisch erreichbar oder existieren schlicht nicht.
Anders betrachtet könnte man sagen, ein wenig seelisches Leid ist gar nicht so schlimm. Es regt zum Nachdenken an. Es hinterfragt bestehende Zustände und ist vielleicht die kritische Reaktion unserer Körper auf eine kranke Lebensweise. Dieser Schritt zurück, kann in diesem Sinne zwei Schritte nach vorne bedeuten.
Wenn Voltaire seinen Candide auf die Reise durch die beste aller Welten schickt um herauszufinden, dass sich diese draussen vor dem Hause in seinem Garten befindet, spricht er darauf an, dass es, um glücklich und zufrieden zu sein, keiner Säcke voll Gold, keiner Königreiche und keiner hochtrabenden Philosophie bedarf, sondern einzig und alleine der Erledigung seiner täglichen Arbeiten. Der Rest ist geschenkt.
Mein Rezept: Einer persönliche "was ich mag"-Liste führen, welche mich in diesen nebligen Zeiten daran erinnert, wie schön und wie zu kurz das Leben für Resignation eigentlich ist.
Zum Beispiel: Was ich mag: Für sich insgeheim immer noch glauben etwas Besonderes zu sein. Für alle diejenigen ohne Liste empfehle ich youtubes "best of Hans Jucket".

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Verjüngung im Chlaustobel

aus TA, 19.2.2015

Wegen umgestürzter Bäume trat der Hombrechtiker Chlausbach regelmässig über die Ufer und richtete Schäden an. Ein gezielter Holzschlag soll dies verhindern.

Wegen umgestürzter Bäume trat der Hombrechtiker Chlausbach regelmässig über die Ufer und richtete Schäden an. Ein gezielter Holzschlag soll dies verhindern.

Hombrechtikon – 400 Tonnen Holz von Buchen, Eschen und Tannenbäumen werden bis Ende kommender Woche aus dem Chlaustobel bei Hombrechtikon geschleift. Die Gemeinde Hombrechtikon hat diese Fällaktion angeordnet,weil umgestürzte Bäume das Bachbett des Chlausbachs verstopft hatten und es darum bei starken Regenfällen immer wieder zu Überschwemmungen und Flurschäden gekommen war. Das Waldstück wird mit einer gezielten Rodung von alten und schweren Bäumen an den Hängen des Chlaustobels befreit und ausgedünnt.
Die Arbeit im steilen und rutschigen Gelände ist hart und aufwendig. In einem ersten Schritt wird ein dickes Stahlseil um den betroffenen Baumstamm gelegt und festgezurrt. Am anderen Ende des Seils steht ein Bagger mit einer Seilwinde, die so lange dreht, bis das schlaffe Seil stramm gezogen ist. Damit können die Forstarbeiter kontrollieren, wie der Baum fällt. Zudem verhindert der Mechanismus, dass die Bäume nach dem Fällen ins Tobel hinunterrutschen.
Für die Arbeiten brauche es deshalb mindestens zwei Mann, sagt Hans Trutmann, der an diesem Tag die Seilwinde bedient. Er ist über Funk ständig in Verbindung mit seinem Kollegen Roger Borenga, der mit seiner kreischenden Kettensäge gerade seelenruhig in eine riesige Tanne schneidet, als ob der Baum aus weicher Butter wäre.

Der verantwortliche Förster der Gemeinde Hombrechtikon, Gian Andri Capeder, ist mit dem Verlauf der Arbeiten zufrieden. Seit er zusammen mit den Forstarbeitern mit dem Fällen der ersten Bäume begonnen habe, sei alles planmässig verlaufen. «Zu Unfällen ist es nicht gekommen, obwohl die Arbeit im Unterholz zahlreiche Gefahren birgt. Aber Gott sei Dank bin ich, abgesehen von kleineren Blessuren, jeden Abend gesund nach Hause gekommen», sagtForstarbeiter Hans Trutmann. Wenn auch mit Glück. Einmal sei er nämlich bei der Arbeit vom Baum gefallen. Wie durch ein Wunder sei er dabei aber unverletzt geblieben.

Das Chlaustobel liegt auf Hombrechtiker Gemeindegebiet und wird vom Chlausbach durchquert. Weil die Abhänge steil sind, verlieren schwere Bäume bei Regenfällen regelmässig ihren Halt, geraten ins Rutschen und stürzen um. Dabei kann der Bach verstopfen. «Die Vegetation wird aber nicht nur ausgedünnt, sondern auch verjüngt», erklärt Förster Capeder. Weniger Bäume bedeute nämlich mehr Licht auf dem Waldboden. Junge Bäume entwickeln sich dadurch besser und stabilisieren mit ihren gesunden Wurzeln den Hang. «Die Verjüngungskur sollte jetzt für mindestens 20 Jahre reichen», sagt Trutmann.

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Dubler's Welt IIII

ZS, 21.3.2008

Reisezeit. Jonathan Franzen benutzte einst als Metapher für einen unerklärbaren Instinkt, dem er folgt, die Geschichte von Kolibris. Diese überwintern in Mexiko, fressen sich voll und fliegen nach Texas zurück, wo sie komplett erschöpft ankommen. Aber dieser Flug gehört zu ihrem Leben.

Reisezeit. Jonathan Franzen benutzte einst als Metapher für einen unerklärbaren Instinkt, dem er folgt, die Geschichte von Kolibris. Diese überwintern in Mexiko, fressen sich voll und fliegen nach Texas zurück, wo sie komplett erschöpft ankommen. Aber dieser Flug gehört zu ihrem Leben.

So ähnlich ergeht es mir beim Reisen, auch wenn dahinter natürlich nicht ein existenzieller Reflex, sondern eine tiefe Sehnsucht steckt. Es ist für mich - so absurd es klingt - nicht eine Suche nach den wunderschönen Bildern, welche in den Reiseführern wie Gemälde in einem Museum hängen oder die Suche nach den dunklen, melancholischen, gelangweilten oder von harschem Klima zerfurchten Landschaften, welche sich in den fremden Gesichtern abzeichnen, sondern in erster Linie eine Flucht aus den Zwängen, die mein Leben in mir fort produziert.
In fremden Welten möchte ich eintauchen und untertauchen können. In ihrer Masse und der Anonymität beinahe ertrinken, mich auflösen, unsichtbar werden und nicht und für niemanden zu sprechen sein. Die Möglichkeit haben, so zu tun, als sei man alleine auf der Welt. In jeder Sekunde das zu tun, was sie einem gebietet. Wenn es mir langweilig wird, beginne ich zu träumen, gehe spazieren oder esse etwas. Wenn ich Angst habe, meine Stimme zu verlieren, summe ich ein Lied oder rufe meine Schwester an. Und wenn sich die einbrechende Dunkelheit wie ein Sack, welcher sich mehr und mehr zusammenzieht um das Zimmer, welches ich für den Bruchteil eines Lebens bewohne, legt und es wirklich scheint, als sei ich am Ende der Welt, beginne ich zu schreiben.
Solange, bis das Entfernen in Einsamkeit mündet und ich mich nach Freunden, nach Familie und Bekanntschaften sehne. Dann wird die Reise zum Kampf und die Freiheit zur Qual.
Aber: das Schönste am Reisen überhaupt ist zurückzukehren. So hüpfe ich jeweils, in Zürich-Kloten gelandet, strahlend und federleicht der Gepäck-Zurückeroberung entgegen. Schnauze an Schnauze mit den wolkenweiss gestrichenen, bellenden Riesenflughunden.

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Der Loipenkönig vom Pfannenstiel

aus TA, 6.2.2015

Nacht für Nacht ist This Menzi mit dem Pistenbully auf der Guldenen unterwegs. Seit 25 Jahren präpariert er die Loipen der Region.

Nacht für Nacht ist This Menzi mit dem Pistenbully auf der Guldenen unterwegs. Seit 25 Jahren präpariert er die Loipen der Region.

Guldenen – Ein Reh springt mit funkelnden Augen über die verschneite Wiese der Guldenen hoch ob Küsnacht. Eine Schleiereule gurrt verstohlen aus dem Unterholz. Es ist stockfinstere Nacht. Höchste Zeit für This Menzi, seinen Pistenbully 160 aus der Garage zu fahren und mit der nächtlichen Tour zu beginnen. Menzi ist Landwirt, er bewirtschaftet einen Hof auf der Guldenen.
Das Pistenfahrzeug kostet stolze 200 000 Franken und wurde von der Zürcher Kantonalbank, der Eigentümerin der Guldenen, gesponsert. Die Bank bezahlt ihm einen Lohn fürs Präparieren der Langlaufloipen. «Einen Bonus kriege ich aber nicht» sagt Menzi und lacht. Vier bis zehn Stunden ist er mit dem Pistenbully unterwegs – je nach Schneehöhe. Er präpariert die Pisten von der Guldenen bis nach Hombrechtikon, dann über die Auen oberhalb Stäfa bis an die Oetwiler Grenze beim Türli. Weiter geht die Tour dann vom Gibisnüt auf Uetiker Boden via Vorderer Pfannenstiel und Hochwacht zurück auf die Guldenen. In schneereichen Wintern liegt jeweils bis zu einem Meter Schnee. Es ist ruhig an diesem Abend. Dass das Naherholungsgebiet nur 10 Minuten von der Stadt Zürich entfernt ist, ist kaum vorstellbar.

Chaos wie am Fussballmatch
An schönen Wochenenden ist es jeweils vorbei mit Ruhe und Beschaulichkeit. Dann fallen Tausende von gestressten Stadtzürchern ins Naturidyll ein. «An solchen Tagen haben wir jeweils ein Parkplatzchaos, wie an einem wichtigen Fussballmatch», sagt This Menzi.
Seit 25 Jahren unterhält er die Langlaufloipen, Wander- und Schlittelwege auf der Guldenen. «Der Schnee braucht vier bis sechs Stunden Ruhezeit, dann ist er am härtesten und griffigsten», weiss er deshalb aus Erfahrung. Menzi ist mit seinem Pistenfahrzeug darum meistens in der Nacht unterwegs. Der Schnee wird vom Raupenfahrzeug gepresst. Am Heck des Bullys ist ein spezieller, schwerer Schlitten montiert, der die Spuren in den gepressten Schnee drückt.
20 Zentimeter Schnee braucht es dafür mindestens. Er kann sich noch gut an Zeiten erinnern, wo er nur die Klassische Variante spuren musste. «Mittlerweile sind die Skater allerdings klar in der Überzahl», sagt Menzi.
Die Loipe auf der Guldenen hat bereits eine lange Tradition. In den frühen Siebzigerjahren begannen Langläufer vom Turnverein Egg erste Loipen zu präparieren. «Hilfsmittel hatten sie keine», sagt Menzi. «Sie sind einfach mit ihren Skis ein paar Mal im Kreis gelaufen.» Gleich taten es ihnen 15 Langläufer des Skiklubs Alpina aus Männedorf und Stäfa auf der anderen Seite des Pfannenstiels, die unter der Leitung von Fredy Guyer, damals Orientierungsläufer mit exzellenten Geländekenntnisse, eine Loipe anlegten.

Nicht alle Bauern freuts
1985 dann wurden die Strecken miteinander verbunden und in die Obhut von This Menzi gelegt. Fredy Guyer amtet seither als Betreuer der «ZKB-Loipe am Pfannenstiel». Beim Spuren muss Menzi vorsichtig sein. «Die Kurven müssen rund gefahren werden», erklärt er. Geländekuppen seien besonders heikel. «Wenn das schwere Gefährt den Schnee zusammenpresst, verliert die Schicht ihren dämmenden Charakter. Die Erde darunter gefriert», erklärt This Menzi. Dies führe im Sommer zu unschönen Grasnarben, also Stellen, an welchen das Gras nicht mehr richtig gedeihe. «Da kommt es schon einmal vor, dass sich Bauern bei mir über die Loipen auf ihrem Land beklagte», sagt Menzi.

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3 Rezensionen

ZS, 10.3.2006

Musik: Neue Alben von The Magic Numbers und Camp; Film: The secret Life of Words

Musik: Neue Alben von The Magic Numbers und Camp;  Film: The secret Life of Words

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Eine Initiative gegen den Giebelwahn

aus TA, 17.3.2015

Erlenbachs Verschönerungsverein will einen alten Zopf abschneiden: Das Verbot von Attika-Wohnungen. Dieses habe abstruse Dachaufbauten zur Folge und viele andere Nachteile.

Erlenbachs Verschönerungsverein will einen alten Zopf abschneiden: Das Verbot von Attika-Wohnungen. Dieses habe abstruse Dachaufbauten zur Folge und viele andere Nachteile.

Erlenbach – Christiane Brasseur ist in die Aufnahmen von Erlenbaches Strassenszenen vertieft, die dank Google Street View im Internet frei verfügbar sind. Die meisten Menschen interessieren die Bilder vor allem, weil man darauf etwa Frau Meier sieht, wie sie gerade aus ihrem silbergrauen Mercedes SLK aussteigt – Brasseur aber achtet auf anderes: auf die Häuser. Die Erlenbaches Architektin benutzt die Bilder, um das neuste Anliegen des Verkehrs- und Verschönerungsvereins (VVE), dessen Präsidentin sie ist, zu untermauern: Der Verein will eine Vorschrift bodigen, die dazu geführt hat, dass heute viele Wohnquartiere von «Verkrüppelungen und Absurditäten überzogen sind», wie Brasseur sagt. Sie meint die Häuser und ihre Dächer.
Konkret geht es vor allem um Artikel 38 der Erlenbacher Bau- und Zonenordnung (BZO). Besser: um dessen Streichung. Dort steht nämlich, dass in knapp einem Drittel der Erlenbaches Wohnzonen keine Attika-Geschosse erlaubt sind. Der Begriff meint eine von der Fassade nach hinten abgesetzte Wohnung ganz oben auf dem Haus. Faktisch ist das Verbot fast ein Schrägdachgebot. Denn viele Bauherren mögen nicht auf den Raum oberhalb der Dachtraufe verzichten und verpassen ihnen daher Giebel.
«Das Verbot verunmöglicht eine zeitgemässe Architektur», sagt Brasseur. Die Bilder von Erlenbach dokumentieren ihrer Meinung nach, welch sonderbare Blüten die Bestimmung trieb, die seit 1961 in der BZO verankert ist. Damals war der Wortlaut indes noch allgemeiner formuliert als heute: «Der Gemeinderat kann, sofern eine Beeinträchtigung des Quartiercharakters zu befürchten ist, Flachdächer und Attikageschosse verbieten.» 1995 wurde die «kann»-Vorschrift zu einem ausdrücklichen Verbot verschärft.

Häuser werden höher als nötig
Deshalb wimmelt es in den Gebieten, für welche die Vorschrift gilt, von Dachkonstruktionen, die bis heute in keinem Architekturvokabular Einlass gefunden haben. Weil sich Geschosse unter einem Giebeldach nur mit Dachaufbautenoder Dacheinschnitten belichten lassen, entstehen Dächer die aussehen, «als hätte man sie durch den Tumbler gedreht», wie eine Vorstandskollegin von Brasseur einst bemerkte. Hinzu komme, dass Schrägdächer höher in den Himmel ragen, als es ein Attika-Geschoss täte. Dadurch werde den Nachbarn unnötig die Sicht geraubt, kritisiert Brasseur. 
Auf der anderen Seite kennt sie auch Bauherren, denen die verdrehten Giebel ein Graus sind, sodass sie lieber ganz auf ein Dachgeschoss verzichten. Übrig bleibt ein Flachdach. Das wiederum sei aus raumplanerischer Sicht unsinnig, findet Brasseur: So gehe Wohnraum verloren, und das erhöhe den Siedlungsdruck.

Relikt aus vergangener Epoche
«Die Bauordnung widerspiegelt immer auch den Zeitgeist einer Epoche», sagt die VVE-Präsidentin. In den Sechzigerjahren galt das Flachdach als Ausdruck einer Modernität und Weltläufigkeit, welche die Mehrheit im Dorf nicht wollte. In einem Bericht des Baugutachters von 1971, der die eingegebenen Baugesuche prüfte, steht geschrieben, dass der Blick auf ein Flachdach von oben herab schlicht «abscheulich» sei. 
Diese Haltung ist für Brasseur definitiv überholt: «Das Attikaverbot muss fallen. »Daran ist sie auch als Architektin interessiert, die in Erlenbach baut. Ihr eigenes Haus allerdings sei für einen Attika-Aufbau zu klein.
Indirekte Unterstützung bekommt der VVE vom Präsidenten des Zürcher Heimatschutzes, Ulrich Ruoff: Er glaubt nicht, dass Verbote in der Bauordnung das Heimatbild eines Dorfes nachhaltig bewahren können. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es viel sinnvoller sei, historisch wertvolle Gebäude unter einen totalen Schutz zu stellen. Zur konkreten Situation in Erlenbach könne er aber keine Stellung nehmen. Neben einer Änderung des Artikel 38 möchte die Initiative auch Kernzonen umzonen, die sich gar nicht direkt im Erlenbaches Dorfzentrum befinden. Das Beispiel der Kernzone Rankstrasse habe gezeigt, was passiert, wenn spärlich bebautes Land der Kernzone zugeordnet wird und deshalb mit grossen Bauvolumen zugestellt werden darf: «Die neuen Häuser werden von der Bevölkerung Monster-Chalets genannt», sagt Brasseur.



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Gas oder Kohle ist nicht Wurst

ZS, 7.7.2006

Heisst's jetzt grillen oder grillieren? Ganz egal, sagt die hungrige Zeitgenossin; aber mit Kohle muss es sein!

Heisst's jetzt grillen oder grillieren? Ganz egal, sagt die hungrige Zeitgenossin; aber mit Kohle muss es sein!

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Die teuerste Baugrube des Bezirks

aus TA, 11.3.2015

An der Seestrasse 113 in Herrliberg klafft ein spektakuläres Loch. Auf engstem Raum entstehen vier Luxus-Eigentumswohnungen. Das stösst bei Autofahrern und Baubehörden auf Verwunderung.

An der Seestrasse 113 in Herrliberg klafft ein spektakuläres Loch. Auf engstem Raum entstehen vier Luxus-Eigentumswohnungen. Das stösst bei Autofahrern und Baubehörden auf Verwunderung.

Herrliberg – Eigentlich sei die Lage im Nadelöhr zwischen Seestrasse und Bahntrassee für den Bau eines Wohnhauses unrentabel. Zu kostspielig der Planungsprozess, zu hoch der ingenieurtechnische Kraftakt und zu kompliziert der logistische Aufwand, welcher sich beim Bauen am steilen Hang ergibt, erzählt GeschaÅNftsführer und Totalunternehmer Reinhard Vissa von der Optimmo Immobilien AG in Zollikon. «Nicht wegen des Steilhangs, aber wegen der Risiken und Nebenwirkungen.»
Dennoch: Die schroffe Böschung erlaubt ab Höhe des ersten Wohngeschosses einen freien Rundblick über den See. «Nach wie vor ein schlagendes Verkaufsargument», sagt Vissa. «Seesicht ist eine rein emotionale Sache. Die Käufer freuen sich am Gefühl der Weite und Freiheit. Normalerweise sind solche Liegenschaften schon bei Baubeginn verkauft.» Die Preise kann sich aber nicht jeder leisten. Drei 4,5-Zimmer-Wohnungen mit 183 Quadratmetern und eine 3,5-Zimmer-Attikawohnung mit 151 Quadratmetern stehen zur Auswahl. Sie kosten zwischen 1,85 und 2,3 Millionen Franken. Bezugstermin ist im Herbst.
Die Bauarbeiten gehen planmässig voran, auch wenn es zu Stau und prekären Zufahrtssituationen kommt. Kein Wunder: Die Baustelle liegt unmittelbar an der Seestrasse. In Übereinkunft mit dem Kanton, welcher für Bewilligungen im Zusammenhang mit der Kantonsstrasse verantwortlich zeichnet, wurde das Trottoir abgesperrt. Es ist für Fussgänger unpassierbar. Beschwerden sind bei der Gemeinde aber keine eingegangen. Der Baurechtsentscheid ist einzig vom Segel und Yacht Club Herrliberg angefordert worden, welcher vis-à-vis unten am Seeufer sein Klubhaus hat. Er ist der ehemalige Eigentümer des Nachbargrundstücks.

Laser sichern die Baustelle
Die Abstützung des Bahntrassees wird mithilfe von Lasergeräten und einem automatisierten Warnsystem permanent überwacht. «Messungen im Hundertstelmillimeter-Bereich», wie Visa erklärt. Die Bellago-Baustelle ist eine grosse Herausforderung. Man müsse sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn man als Kind am Strand Löcher in den Sand gegraben habe. «Von unten drückt das Wasser herauf, und die Seiten drohen ständig einzubrechen.» Der hohe Grundwasserspiegel – den die Unmittelbarkeit zum See mit sich bringt – und die Gefahr, dass der Hang ins Rutschen gerät, machten zahlreiche geologische Vorabklärungen notwendig. Jeder Kubikmeter Erde, welcher ausgehoben wurde, musste sofort durch eine Schicht Beton verklebt und mit riesigen Stahlschrauben im Untergrund verankert werden.
Bauleiter Max Hörler braucht für seine Arbeit auf der Baustelle gutes Schuhwerk. Es ist jeweils ein kräftezehrender Aufstieg von Plattform zu Plattform bis ganz nach oben, wo er den Überblick hat. Das Betonfundament erinnert an eine künstliche Kletterwand für Extremsportler. Auf rund eine Million Franken beziffert Hörler den finanziellen Aufwand für diesen von Menschenhand geschaffenen Felsen, an dessen Fuss ein verschneites Betongerippe auf die Weiterarbeit wartet. «Es ist zu kalt im Moment», erklärt Hörler. Ein halbes Jahr haben Spezialisten Schicht für Schicht abgetragen, und so die grüne Böschung in einen bolivianischen Steinbruch verwandelt.

Swimmingpool auf dem Dach
Solcher Mehraufwand schlägt sich neben der aussergewöhnlichen Lage im Preis nieder. Die exklusive Attikawohnung mit eigenem Swimmingpool auf dem Dach für 2,3 Millionen Franken ist noch nicht verkauft. «Wir sind jedoch in fruchtbaren Verhandlungen», sagt Geschäftsführer Vissa. Die Frage, ob die Wohnqualität, eingeklemmt zwischen Strasse und Bahngleisen, nicht beträchtlich vom Lärm eingeschränkt sei, beantwortet er mit einem haustechnischen Argumentarium: «Die Vibrationen des Zugs werden durch das massive Fundament abgefangen. Alle Wohnungen werden künstlich belüftet und sind mit Schallschutzfenstern ausgestattet.»

 

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Eine Reise nach Istanbul

ZS, 8.9.2006

Im Rahmen einer Seminarreise unter dem Titel "Turkish Delight", sind 20 Architekurstudenten nach Istanbul gereist. Bericht über einen 12 Millionen Einwohner Koloss.

Im Rahmen einer Seminarreise unter dem Titel "Turkish Delight", sind 20 Architekurstudenten nach Istanbul gereist. Bericht über einen 12 Millionen Einwohner Koloss.

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Fast alle für Familienwohnungen

aus TA, 24.3.2011

Stäfas Parteien sprechen sich für eine Initiative aus, die 40 Familienwohnungen fordert. Nur die SVP zögert.

Stäfas Parteien sprechen sich für eine Initiative aus, die 40 Familienwohnungen fordert. Nur die SVP zögert.

Stäfa – Diese Woche werden in Stäfa die Unterlagen für die Abstimmung vom 7. März versendet. Einzige Vorlage auf kommunaler Ebene ist die Einzelinitiative «Günstige Familienwohnungen», die SP-Kantonsrat Peter Schulthess im vergangenen Oktober eingereicht hatte.
Die Initiative will, dass in Stäfa – auf einem Grundstück, das der Gemeinde gehört – 40 preisgünstige Familienwohnungen gebaut werden. Weil die Ausgaben für die Gemeinde mehr als 2 Millionen Franken betragen, kommt es zu einer Urnenabstimmung (TA vom 29. 10.). Im Vorfeld der Abstimmung hat sich ein Komitee, das sich aus Mitgliedern fast aller Parteien zusammensetzt, für die Annahme der Initiative ausgesprochen. Neben der SP Stäfa erhält die Initiative auch offizielle Unterstützung der Gemeindesektionen von FDP, CVP, den Grünliberalen und dem Stäfner Gemeinderat.

Zweifel bei der SVP
Die SVP Stäfa hingegen hat sich noch nicht für eine Parole entschieden. SVP Vizepräsident Peter Frey kann es sich aber grundsätzlich vorstellen, dass die Initiative – auch wenn sie vom linken politischen Lager initiiert wurde – von seiner Partei unterstützt wird. Am kommenden Donnerstag wird ein Vertreter des überparteilichen Komitees «Günstige Familienwohnungen in Stäfa» die SVP Stäfa an ihrer ausserordentlichen Generalversammlung besuchen und die Initiative vorstellen. Bis dann herrschen noch Zweifel innerhalb der Partei. Peter Frey unterstützt die Initiative nur, wenn klare Regeln herrschen. «Was passiert etwa, wenn der Bewohner einer subventionierten Wohnung eine Gehaltserhöhung erhält oder wenn sich die Familiensituation ändert. Muss er dann ausziehen? Wie können wir verhindern, dass nicht nur Sozialhilfeempfänger von den Wohnungen profitieren können, sondern auch kinderreiche Familien?», fragt Frey.

51/2 Zimmer für 2300 Franken
Im Wohnbau- und Wohnbauförderungsgesetz sei klar geregelt, wie sich eine vom Kanton subventionierte Genossenschaft verhalten muss, erklärt SP-Kantonsrat Peter Schulthess. Unter anderem müssen die Bewohner jedes Jahr ihre Steuererklärung vorlegen. Kritische Stimmen hat er eigentlich nurvon direkt betroffenen Anwohnern gehört, die lieber eine grüne Wiese anstatt Baulärm haben. Aber das sei ja normal, sagt Schulthess. Das Grundstück liegt in einer Wohnzone.
Die Initiative will im Detail, dass die Gemeinde ein 8640 Quadratmeter grosses Grundstück im Ortsteil Ülikon für 80 Jahre im Baurecht an eine gemeinnützige Baugenossenschaft – wie etwa die Gewo Züri Ost, die bereits die Geren- Alterswohnungen in Stäfa baut – übertraÅNgt. Diese soll die 40 preisgünstigen Familienwohnungen bauen, wovon die Hälfte subventioniert wird. Die Mietpreise würden dann für die 31/2- bis 51/2-Zimmer-Wohnungen zwischen 1600 und 2300 Franken betragen.

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Where is my mind?

ZS, 8.9.2006

Der diesjährige Zyklus der Filmstelle von Uni und ETH dreht sich um nichts geringeres als der Erkundung der menschlichen Psyche - und damit verbundener Verirrungen.

Der diesjährige Zyklus der Filmstelle von Uni und ETH dreht sich um nichts geringeres als der Erkundung der menschlichen Psyche - und damit verbundener Verirrungen.

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